Glücklichsein lernen: Positive Psychologie als Weg zu einem erfüllten Leben

Von Meditation, Yoga und autogenem Training hast du sicher schon gehört. Aber wie sieht’s mit Kalsari kännit aus? Diese traditionelle Entspannungstechnik aus Finnland funktioniert folgendermaßen: Man setze sich alleine, in Unterhosen zu Hause aufs Sofa und betrinke sich ordentlich. Klingt einleuchtend, oder? Und die Finnen sollten wohl wissen, wie man es sich gutgehen lässt. Schließlich gelten sie laut dem World Happiness Report der Vereinten Nationen als glücklichste Nation der Welt. Gleich gefolgt von den Dänen. Deren Lebensphilosophie lässt sich am besten mit dem Wort Hygge beschreiben, was so viel bedeutet wie: eine gemütliche, intime Atmosphäre, in der man die guten Dinge des Lebens gemeinsam genießt.

Gemütlichkeit und Entspannung sind also offenbar ausschlaggebende Faktoren für das Glück. Die Positive Psychologie – oder auch Glücksforschung – bestätigt dies. Sie beschäftigt sich mit Fragen wie: Was macht ein gutes Leben aus? Kann man Glück messen? Und wie steigert oder stabilisiert man die eigene Lebenszufriedenheit?

Fakten der Glücksforschung

Im Ranking der glücklichsten Länder der Welt rangieren Finnland und Dänemark Jahr für Jahr auf den ersten Plätzen. Das heißt natürlich nicht, dass alle Finnen und Dänen glücklicher sind als alle Lebanesen oder alle Afghanen, deren Länder laut World Happiness Report zu den unglücklichsten gehören. Glück ist schließlich subjektiv und damit schwer zu messen.

Der World Happiness Report versucht daher erst gar nicht, das subjektive Glücksempfinden individueller Menschen wiederzugeben. Stattdessen verwendet er festgelegte Bewertungskriterien, die auf statistischen Erhebungen basieren, zum Beispiel das Bruttoinlandsprodukt, der soziale Zusammenhalt, die Lebenserwartung und die Freiheit, eigene Entscheidungen zu treffen. Finnland und Dänemark machen in diesen Bereichen vieles richtig. So funktioniert hier etwa die Verteilung von Wohlstand besser als in anderen Ländern, es herrschen also besonders gute Voraussetzungen für persönliches Glück.

Entscheidender noch als die äußeren Umstände ist die innere Einstellung. Geld zum Beispiel macht nur bis zu einem gewissen Grad glücklicher. Eine Studie der US-Universität Princeton etwa zeigte, dass das Glücksempfinden bis zu einem Nettoeinkommen von 50.000 CHF im Jahr tendenziell ansteigt, danach aber stagniert. Heißt: Wer mehr hat, empfindet weder mehr Glück noch mehr Stress. 

Aber was kauft man am besten von dem Geld? Auch darauf hat die Glücksforschung eine Antwort: Erfahrungen machen glücklicher als materielle Güter. Statt dir das zehnte Paar Sneaker zu kaufen, solltest du also lieber in eine Ballonfahrt mit Freunden oder einen Akro-Yoga-Kurs investieren. Oder du verschenkst dein Geld an Menschen, die weniger haben. Geld für andere auszugeben macht nämlich ebenfalls glücklicher, als sich selbst etwas zu kaufen. 

Ein zentrales Element der Positiven Psychologie ist das von Seligman entwickelte PERMA-Modell. PERMA steht für Positive Emotions, Engagement, Relationship, Meaning und Accomplishment. Zu Deutsch: Positive Emotionen, die Möglichkeit, sich und seine Stärken einzubringen, gute Beziehungen, Sinnhaftigkeit erleben und Ziele erreichen. Laut Seligman sind dies die wesentlichen Bausteine für ein erfülltes Leben. Wie du diese Bausteine am besten arrangierst und welchen Inhalt du ihnen gibst, ist jedoch ganz individuell.

INDIVIDUELLES GLÜCK

Viele Menschen sind sich ihrer Wünsche gar nicht richtig bewusst. Sie haben früh gelernt, sich den Erwartungen und Vorstellungen von Eltern, Lehrern, Freunden oder der Gesellschaft zu fügen. Jahrelang verfolgen sie fremde Ziele und sind in Bereichen aktiv, in denen ihre Ideen und Talente nicht zum Tragen kommen. Ihnen fehlt also sowohl das A – Accomplishment – als auch das E – Engagement.

Um dir deiner wahren Wünsche bewusst zu werden, versuche dich für einen Moment freizumachen von allen Erwartungen und Normvorstellungen. Worauf kommt es dir wirklich an? Was gibt deinem Leben Sinn bzw. M – Meaning? Ist dir ein erfüllender Job wichtig? Anerkennung? Oder enge, langfristige Beziehungen? Möchtest du am liebsten Abenteuer erleben? Oder anderen Menschen helfen?

Wenn du weißt, was dir im Leben wichtig ist, kannst du als Nächstes konkrete Ziele formulieren, etwa: einen neuen Job finden, deinen Traumpartner oder deine Traumpartnerin treffen oder ins Guinness Buch der Rekorde kommen.

Du kennst deine Ziele? Dann machen wir doch mit einer kleinen Übung weiter: Schließe deine Augen und versuche dir bildlich vorzustellen, wie du dein Ziel bereits erreicht hast. Angenommen, du sehnst dich nach einem neuen Job, wie sieht dein neuer Arbeitsplatz aus? Wie wirst du von deinen Kolleginnen begrüßt? Was für Schuhe trägt dein neuer Chef? Oder bist du etwa selbst die Chefin?

Indem du dein Ziel visualisierst und dir vorstellst, du hättest es bereits erreicht, bringst du dein Unterbewusstsein auf Kurs. So kann es dich dabei unterstützen, genau das zu tun, was nötig ist, um deinen Wunsch zu erfüllen. Vielleicht achtest du plötzlich auf Anzeigen, die dir sonst entgangen wären, oder du hörst im richtigen Moment zu und fragst nach, wenn jemand über eine frei werdende Stelle spricht.

Aber natürlich bedeutet Glück nicht nur, dass wir etwas gewinnen. Es kann auch darin liegen, dass bestimmte negative Faktoren verschwinden, belastende Gefühle zum Beispiel oder schlechte Gewohnheiten. 

Lernen loszulassen

Woran hältst du fest? An einem ungeliebten Job? An Gewohnheiten, die dir schaden und deinen Zielen im Wege stehen? Oder sind es vor allem belastende Gefühle wie Neid, Wut oder Angst?

Gewohnheiten zu ändern ist nicht leicht. Grundsätzlich braucht es etwa dreißig bis sechzig Tage, bis ein bestimmtes Verhalten automatisiert wird. Angenommen, du willst weniger Fernsehen und Chips essen und dafür regelmäßig Inlineskaten gehen. Dann stell dich darauf ein, dass die ersten dreissig Tage herausfordernd werden.

Manchmal kann es helfen, das Loslassen einer unerwünschten Gewohnheit mit einer symbolischen Geste zu begleiten. Zum Beispiel könntest du deine Gewohnheit auf einen Zettel schreiben und ihn anschließend verbrennen. So kommst du ins Handeln und hilfst deinem Unterbewusstsein, das fragliche Verhalten zu überwinden. 

Doch nicht nur Gewohnheiten, auch Gefühle können auf Dauer krank machen. Jede:r fünfte Schweizer:in macht im Laufe seines/ihres Lebens Erfahrungen mit psychosomatischen Erkrankungen, also körperlichen Leiden, die auf Stress und negative Gedanken oder Emotionen zurückzuführen sind. Ängste etwa äußern sich häufig durch Schmerzen im Solarplexus. Um sie loszuwerden, müssen wir zuerst die zugrunde liegende Angst erkennen. 

Die Angst, den Anforderungen deines Jobs nicht gerecht zu werden und zu versagen, könnte ein Anzeichen dafür sein, dass der Leistungsdruck zu groß ist oder dass bestimmte Aufgaben dir einfach nicht liegen. Dann solltest du dringend einen Gang zurückschalten.

Manche Ängste gehen auf negative Glaubenssätze zurück, die dir deine Bezugspersonen in der Kindheit vermittelt haben, wie: „Nie bringst du etwas zu Ende“, „Das ist nichts für dich“ oder „So wird nie etwas aus dir“. 

Die gute Nachricht ist, dass du diese Ängste überwinden kannst. Vergegenwärtige dir die Person, die dir deine negativen Glaubenssätze mitgegeben hat. Und nun stell dir vor, sie würde dir stattdessen mit positiven Leitsätzen Mut zusprechen: „Wenn du das willst, schaffst du das auch“ oder „Du wirst noch Großes erreichen im Leben.“

Positiv denken

Lächeln ist ein bisschen wie Medizin und Prophylaxe in einem. Wenn du lächelst, drückst du nämlich nicht nur deine Gefühle aus. Deine Gefühle werden andersherum auch durch deine Mimik beeinflusst. Das zumindest besagt die Facial-Feedback-Hypothese. Einige Forschende meinen, Mimik würde unsere Emotionen verstärken oder abschwächen. Andere sind sogar der Ansicht, ohne Mimik würden überhaupt keine Emotionen entstehen. Fest steht jedenfalls: Bewusstes Lächeln hat erwiesenermaßen einen Effekt auf die Gefühlslage.

Ausserdem kannst du den Moment nutzen, um deinem Unterbewusstsein eine ordentliche Portion Selbstliebe und ein paar positive Leitsätze für den Tag mitzugeben. So was wie: „Das wird ein toller Tag!“, „Niemand außer mir bestimmt, wie ich mich fühle!“ oder „Ich habe wirklich außergewöhnlich hübsche Ohren!“ 

Die Forschung zeigt: Positive Affirmationen und Eigenlob haben direkten Einfluss auf unsere Wahrnehmung, Gedanken und Gefühle – und damit indirekt auch auf unser Handeln! Sind wir positiv eingestellt, nehmen wir mehr Gutes und Schönes an uns und unserem Umfeld wahr. Das ist auch der Grund, warum positive Leitsätze dabei helfen, Ängste abzubauen.

Viele Menschen neigen jedoch dazu, sich immer wieder negative Dinge zu sagen wie: „Das klappt eh nicht“, „Keiner mag mich“ oder „In dem T-Shirt sieht man meine Röllchen.“ Wenn dann etwas Negatives passiert, fühlen sie sich bestätigt, was wiederum dazu führt, dass sie weiterhin Schlechtes erwarten. Dadurch sehen sie mehr Negatives, haben weniger Kraft, um ihre Ziele zu verfolgen, und erkennen Chancen nicht, wenn sie sich ihnen eröffnen.

Um diesen Teufelskreis zu durchbrechen, hilft es die negativen Gedanken umzuformulieren: aus „Keiner mag mich“ wird dann zum Beispiel „Nicht alle müssen mich mögen, ich bin trotzdem liebenswert“. Sage dir deine positiven Leitsätze immer wieder auf. Irgendwann werden sie Teil deiner Weltsicht und deines Selbstbilds. Denn was für positive Gewohnheiten wie Inlineskaten gilt, gilt auch für Denk-Gewohnheiten.

Gelassenheit üben

Gelassenheit bedeutet, sich und andere so zu akzeptieren, wie sie sind. Wer sich selbst liebt, fragt sich nicht mehr ständig, ob andere ihn wohl zu dick, zu laut oder zu langweilig finden. Gleichzeitig hören wir auch auf, über unsere Mitmenschen zu urteilen. Solche negativen Urteile über andere sind schliesslich oft nur ein Ausdruck von Neid oder Unsicherheit. Und dafür gibt es keinen Grund, wenn du dich selbst magst. 

Andere zu akzeptieren, wie sie sind, bedeutet auch, nicht mehr zu versuchen, sie zu ändern. Wenn sich jemand an der Supermarktkasse vordrängelt, atmest du einmal tief durch und sagst dir: „Einfach machen lassen, das regt mich nicht auf.“ 

Ein weiteres wirksames Mittel für mehr Gelassenheit ist Mindfulness, zu Deutsch: Achtsamkeit. Achtsamkeit heisst eigentlich nichts anderes, als präsent zu sein und im Augenblick zu leben, also weder an die Zukunft noch an die Vergangenheit zu denken. Das Schöne an Mindfulness ist, dass du sie immer und überall praktizieren kannst. Nimm dazu deine Umgebung ganz bewusst wahr: Was hörst du? Was siehst, riechst und schmeckst du? Wie fühlt sich der Stuhl unter deinem Po an? Wichtig ist, dass du nicht über das urteilst, was du wahrnimmst.

Ein paar Minuten Mindfulness täglich reichen schon aus, um gelassener und entspannter zu werden. Eine richtige Auszeit allerdings können solche Achtsamkeitsübungen nicht ersetzen!

Schreib am besten einmal alles auf, was dir gute Laune macht. Vielleicht ist es ein bestimmter Film, ein Spaziergang, Malen oder Schwimmen? Egal, was du tust, Hauptsache, du tust es nur für dich selbst und ohne einen besonderen Zweck zu verfolgen. Danach gehen dir auch deine Aufgaben wieder viel leichter von der Hand.

Sich eine Auszeit zu nehmen, erfordert manchmal allerdings auch, Nein zu sagen: Nein zu Auftraggeberinnen, Vorgesetzten, zu Bekannten und auch zu den Menschen, die du liebst.

Gesunde Beziehungen führen

Wenn du dich das nächste Mal mit deinen Freunden triffst, achte einmal darauf, wie du dich vor, während und nach dem Treffen fühlst. Vielleicht kommen dir einige der folgenden Gedanken bekannt vor: „Ich hab eigentlich gar keine Lust auf das Treffen“, „Danach fühle ich mich immer so ausgelaugt“, „Das Gespräch war einseitig“ oder: „Ich hab mich schlecht oder ignoriert gefühlt.“ Solche Gedanken können Anzeichen toxischer Beziehungen sein. Vielleicht merkst du auch, dass bestimmte Personen nicht damit klarkommen, dass du dich verändern willst – Personen, die alles schlechtreden, gerne über andere lästern und sich darüber lustig machen, wenn du versuchst, positiv zu denken. Solltest du so jemanden in deinem Leben haben, suche zunächst das Gespräch. Ändert sich auch danach nichts, ist es vielleicht Zeit, diese Personen loszulassen. 

Menschen loszulassen, ist schmerzhaft. Aber es gibt Übungen, mit denen die Trennung etwas leichter fällt, zum Beispiel die Kisten-Übung. Schließe dazu deine Augen und stell dir eine große Kiste vor. Sammle nun alle Erinnerungen, Gefühle und Hoffnungen zusammen, die mit dem Menschen zusammenhängen, den du loslassen willst, und pack sie in die Kiste. Dann schliesst du die Kiste und wirfst sie von einem hohen imaginären Berg. Wiederhole dieses visualisierte Loslassen jeden Abend vor dem Einschlafen. Schon nach wenigen Wochen wirst du feststellen, dass du dich viel leichter fühlst. 

Fazit

Wie du gesehen hast, bedeutet Glück für jeden Menschen etwas anderes. Aber die Schritte auf dem Weg dorthin sind für uns alle dieselben.

Als Erstes gilt es, konkrete Ziele festzulegen, die mit deinen persönlichen Stärken und Interessen im Einklang stehen, Stichwort: Accomplishments. Das erlaubt dir wiederum, Engagement zu erleben, und gibt dir ein Gefühl von Sinnhaftigkeit oder auch Meaning. Um deine Ziele mit Freude und Zuversicht zu verfolgen, solltest du im zweiten Schritt lernen, negative Gewohnheiten, Gedanken und Gefühle loszulassen, dich in Gelassenheit zu üben und positive Gedanken und Gefühle, sprich Positive Emotions zu kultivieren. Der letzte Schritt besteht darin, deine Relationships, deine Beziehungen zu überprüfen: Wer tut dir gut und unterstützt dich auf deinem Weg? Wer belastet dich eher und zieht dich runter?

Das sind die Schritte zu deinem Glück: A - E - M - P - R. „Aempr“. Was das heißt? Keine Ahnung. Betrachte es als Fantasiewort für deine ganz persönliche Definition von Glück.

Quellen:

  • Blinkist

  • Positive Psychologie (2022)

Weiter
Weiter

Freiheit oder Risiko? Die Wahrheit über das Leben als Selbständige*r oder Freelancer*in in der Schweiz